Ralf Lemle

Ralf Lemle – Vorstand, Geschäftsführer und Gründer der Office4U Personalmanagement AG und Landesbeauftragter NRW des Arbeitgeberverbands „Interessengemeinschaft Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (IGZ).

Wenn ich mich auf die Suche nach meinem Traumjob mache, dann kommt irgendwann der Tag, an dem ich meine Komfortzone verlassen muss. Ich kündige den alten Job, unterschreibe einen neuen Arbeitsvertrag oder mache mich selbstständig und hoffe, dass ich eine gute Entscheidung getroffen habe. Die Vorstellung, am Ende vielleicht in der Wartezone beim Arbeitsamt zu landen, lässt glaube ich viele in einem ungeliebten Job verharren. Nach dem Motto: „Lieber ein Sch*** Job, als arbeitslos sein!“ Ich kann das sehr gut verstehen, weil ich die Wartezone und das, was danach kommt, aus eigener Erfahrung kenne. Deswegen versuche ich im Interview mit Ralf Lemle, dem Vorstand der Office4U Personalmanagement AG  und Landesbeauftragen NRW des Arbeitgeberverbands „Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V.“ (IGZ) herauszufinden, ob Zeitarbeit als Plan B, Überbrückung, Rettungsanker, … – wie auch immer Du es nennen willst – taugt.

Schlechtes Gewissen

Wenn ich das so schreibe, dann habe ich direkt ein schlechtes Gewissen. Ich mein: Wenn ich schon mit dem Gedanken „Notlösung“ an die Sache herangehe, dann kann ich im Gegenzug doch nicht erwarten, dass die andere Seite sich mit mir Mühe gibt. Mit dieser Einstellung sorge ich doch für eine sich selbst erfüllende, schlechte Prophezeiung. Oder? Ralf Lemle sieht das ganz entspannt. Zeitarbeit ist für ihn per Definition eine Zusammenarbeit auf Zeit. Das sagt ja schon der Name. Manchmal suchen Bewerber für genau vier Monate Arbeit, weil sie dann zum Beispiel ein Studium beginnen. „Die sind mir sehr angenehm“, sagt Lemle. Menschen, die nicht gleich den Idealberuf finden, können Zeitarbeit laut dem 49-jährigen gerne als Lückenfüller im Lebenslauf nehmen, um nicht beim Amt abzuhängen. Im Grunde geht es vielen ja ohnehin darum, möglichst schnell bei einem Kunden des Zeitarbeitsunternehmens zu landen. „Wenn mein Mitarbeiter übernommen wird, dann hat es gepasst. Das zeigt mir, dass ich einen guten Job gemacht habe“, findet Lemle.

iTunes Logo

Wie sieht’s mit der Kohle aus?

Grund für ein schlechtes Gewissen besteht also nicht. Aber – Rettungsanker hin oder her – wie sieht es denn mit der Kohle aus? Einen guten Job zu kündigen, im neuen zu scheitern und dann nur noch mit einem halb so vollen Konto dazustehen: Das kann’s ja auch nicht sein! In der Tat scheint die Geldfrage diejenige zu sein, die Ralf Lemle am häufigsten gestellt wird. Es kommt sogar vor, dass Bewerber damit ins Gespräch einsteigen. Die haben gehört, dass Zeitarbeiter nur die Hälfte von dem verdienen, was die normalen Mitarbeiter bekommen. Seitdem im Jahr 2003 die Tarifverträge eingeführt wurden, hat sich laut Lemle die Entlohnung verbessert. 90 Prozent von dem, was die Stammbelegschaft bekommt, sind drin. Na klar gibt es auch einen Mindestlohn. Der wird aber nur dann gezahlt, wenn der Bewerber so gar nichts mitbringt und zum Beispiel keinen Schulabschluss hat.

Neue Spielregeln

office4u

Hauptsitz: Die Office4U Geschäftsstelle in Wuppertal.

Was bleibt ist die Frage nach dem Ansehen, das ein Zeitarbeiter bei der Stammbelegschaft und bei seinem Arbeitgeber hat. Vor über 20 Jahren war ich selbst mal ein halbes Jahr als Zeitarbeiter unterwegs und ich muss sagen: Das war echt gruselig! So ähnlich muss sich ein Flüchtling fühlen, der in einem Wohnheim neben der AfD-Parteizentrale lebt. Als kaufmännischer Angestellter von meinem Arbeitgeber zum Verladen alter Waschmaschinen geschickt zu werden, empfand ich als zu sehr auslastungsgesteuerte Personaldisposition. Von Wertschätzung keine Spur. Mit dem Tarifvertrag kamen laut Ralf Lemle nicht nur bessere Löhne, sondern auch neue Spielregeln. Wenn der Arbeitsvertrag vorgelegt wird, dann steht der Einsatzort des neuen Mitarbeiters fest. Er weiß also, wo er hinkommt und was dort zu tun ist. Am ersten Arbeitstag fährt Ralf Lemle mit zur Arbeitsstelle, um für einen guten Start zu sorgen. Das ist ein sehr großer Unterschied zu dem, was ich damals erlebt habe. Wenn Du Zeitarbeiter bist und das hier liest, dann schreib mir gerne eine Mail oder einen Kommentar mit Deinen Erfahrungen. Ich bin gespannt!

Garantierte Einstellung?

So ein Rettungsfallschirm (um mal kurz das Bild zu wechseln) taugt ja nur, wenn er sich im Notfall auch öffnet. Eine ehemalige Klientin von mir ist davon überzeugt, nicht beim Arbeitsamt zu landen, weil sie als Zeitarbeiterin auf jeden Fall was findet. Klappt das wirklich immer? „Grundsätzlich ja“, bestätigt Ralf Lemle diese Einschätzung. Wobei es saisonbedingte Höhen und Tiefen gibt. Trotzdem: Wer arbeiten will, der findet laut dem 49-jährigen immer auch eine Möglichkeit. In dieser Branche kommt der Bewerber ganz leicht zum persönlichen Vorstellungsgespräch beim Entscheider. Ralf Lemle findet es zum Beispiel sehr gut, wenn jemand mit der Bewerbungsmappe unterm Arm einfach bei ihm ins Büro kommt: „Das ist besser, als vorab was zu schicken.“ Wobei: Wer Unterlagen schickt, der wird in der Regel auch eingeladen. Im Gespräch geht es dann nicht um einen bestimmten Job, für den der Bewerber passt oder auch nicht. Die Zeitarbeitsfirma hat die unterschiedlichsten Stellen im Angebot und sucht auch neue, um einen Auftrag bei ihren Kunden zu bekommen. Laut dem Vorstand der Office4U AG darf der Bewerber auch sehr gerne Wünsche äußern.

Eignet sich Zeitarbeit zum Quereinstieg?

Das finde ich sehr spannend, wenn ich mir zum Beispiel vorstelle, mich über dieses leicht ergatterte Vorstellungsgespräch als Quereinsteiger in einen bestimmten Beruf oder eine ganz bestimmte Branche zu wünschen. Mein Eindruck ist, dass das nur bedingt funktioniert. Wer in eine bestimmte Branche möchte, sollte sich auf jeden Fall erkundigen, ob das Zeitarbeitsunternehmen in dieser Branche gut aufgestellt ist. Dann kann es was werden, ansonsten eher nicht. Trotzdem sieht Lemle die Zeitarbeit als gute Möglichkeit zum Quereinstieg: „Es gibt Bewerber die gezielt sagen, dass sie gerne öfter umgesetzt werden und viel Neues kennenlernen möchten, um sich beruflich zu orientieren.“ Wenn ich der Zeitarbeiter wäre, dann würde ich möglichst viel Einfluss darauf nehmen wollen, wohin ich zu Orientierungszwecken gesetzt werde. Wie gut das in der Praxis funktioniert, weiß ich nicht. Ich stimme aber zu, dass Orientierung durch Ausprobieren ganz bestimmt ein guter Weg ist. Wenn man dann noch einen netten Ansprechpartner bei der Zeitarbeitsfirma hat, der sich auch Mühe gibt: Wieso nicht? Bei mir war das damals leider nicht Ralf Lemle, sondern ein richtig fieser, alter, Besen. 😉

Stitcherpodcast.delogo-300x135

Am Ende zählt die Persönlichkeit

Da ich bei der Jobsuche ja komplett auf schriftliche Unterlagen verzichte, sehe ich den Eintrag „Zeitarbeitsfirma XY“ auch nicht als Manko im Lebenslauf. Genauso wenig wie ich schlechte Zeugnisse oder Lücken in Form von Arbeitslosigkeit schlimm finde. Denn am Ende – und das sagt auch Ralf Lemle – gibt es eine Sache, die viel wichtiger als das ganze Papier ist: Die Persönlichkeit.

Jetzt ist es an der Zeit, dass Du Dir meinen Podcast anhörst und Dir ein eigenes Bild machst. Bitte sei so lieb und bewerte meinen Jobsucher-Podcast anschließend bei iTunes und schreib eine kurze Rezension dazu. Vielen Dank!

Wenn Du Dich beruflich verändern oder selbständig machen möchtest, dann vereinbare doch jetzt gleich einen Coachingtermin mit mir.

Inhaltsübersicht:

  • Veränderungen in der Zeitarbeit:
    Tarifverträge und feste Spielregeln für beide Seiten.
  • Identifikation mit dem Arbeitsplatz:
    Geht das überhaupt mit Zeitarbeit?
  • Langfristige Zusammenarbeit:
    Persönlichkeit, Vertrauen und Augenhöhe sind wichtig.
  • Unterschiede im Bewerbungsprozess:
    Zeitarbeit vs. Industrieunternehmen
  • Aus Papier wird Persönlichkeit:
    Was kann Ralf Lemle aus den Unterlagen ziehen?
  • Der 1. Schritt:
    Rauskriegen, was der Bewerber möchte.
  • Auslastung über alles?
    Der gemeinsame Blick in die Zukunft.
  • Der 1. Kontakt:
    Als Zeitarbeiter treffe ich nicht auf die Personalabteilung.
  • Mitarbeitersuche über Netzwerke:
    Es kann manchmal ganz einfach sein.
  • Unterschiede im Vorstellungsgespräch:
    Zeitarbeit vs. Industrieunternehmen
  • Alles klar?
    Bewerber die (nicht) wissen, was sie wollen.
  • Nach Schwächen gefragt?
    Lieber nicht!
  • Die klassische Bewerber-Frage:
    Was kostet die Welt?
  • Quereinstieg durch Zeitarbeit?
    Irgendwie schon …
  • Wünsch Dir was!
    In der Zeitarbeit durchaus angebracht.
  • Bewerber-Schoten:
    Von Rauchern und Stempeljägern.
  • Zeitarbeit als Rettungsanker:
    Kein Grund für ein schlechtes Gewissen.

_________________________________________________

Wenn Du Fragen an mich oder meine Interviewpartner hast, dann hinterlasse einen Kommentar. Auch Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.