Henric Peeters

Henric Peeters – Vorstandvorsitzender vom Caritasverband Düsseldorf e.V.

Verrückte Welt: Einfach anrufen, sagen dass Du den Job haben willst und schon kannst Du zur Unterschrift vorbei kommen. Das ist doch mal ein echt schickes „Bewerbungsverfahren“! 🙂 Wo es das gibt? Beim Caritasverband in Düsseldorf, wenn Du eine Ausbildung als Altenpfleger machen willst. Da musste ich beim Vorstandsvorsitzenden Henric Peeters doch direkt mal nachfragen, wie diese im Juli 2017 gesartete, kühne Aktion gelaufen ist und ob denn auch alle brav „Hurra!!!“ geschrien haben. Immerhin gab es keine Stellenanzeige mit (einer langen Liste an unnötigen) Anforderungen. Wobei: Keine Anforderungen kann man so auch nicht sagen. Drei Kriterien mussten die Kandidaten am Ende dann doch erfüllen. Die Latte lag aber so niedrig, wie es nur ging. Hurra-Rufe gab es auch, aber nicht von allen Seiten.

Den Kritikern zum Trotz steht das Angebot nach wie vor. Wenn Du auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz bist, dann kannst Du weiterhin rund um die Uhr (!) die 02 11 / 16 02 – 10 00 wählen und los geht’s. Für berufserfahrene finde ich die Frage spannend, ob nicht vielleicht bei viel mehr Jobs auf diese Weise eingestellt werden könnte. Wie fändest Du es, wenn neue Kollegen so zu Dir ins Team kämen?

Die Caritas nimmt jetzt jeden

„Die Caritas nimmt jetzt jeden!“, sagte der ein oder andere Mittbewerber. Wo soll das hin führen? Was wird aus unserem schönen Beruf, wenn jetzt jeder Trottel einfach anrufen und dann garantiert eine Ausbildung machen kann? Ich gebe zu: Das Wort „Trottel“ hat niemand in den Mund genommen, aber ich wette, dass es jemand gedacht hat. 😉 Und ich könnte es auch nachvollziehen.

Jedenfalls betont Henric Peeters: „Das wir jeden nehmen ist so nicht richtig.“ Mindestens 16 Jahre alt müssen die Kandidaten sein. Nach oben gab es keine Altersgrenze. Außerdem schreibt das Gesetz vor, dass die neuen Azubis keine Vorstrafe haben dürfen. Was es auch noch braucht, ist ein Schulabschluss. Hauptschule reicht. Wie das Abschlusszeugnis ausgefallen ist, spielt keine Rolle.

Für Kandidaten ohne Schulabschluss findet sich im Gespräch auch eine Lösung, zum Beispiel ein Job als Pflegehelfer. „Uns kommt es darauf an, dass man ein Gespür dafür hat, mit alten Menschen umzugehen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Und womit kriegt man das nicht raus? Richtig! Mit einer Bewerbungsmappe! Ich finde: Manchmal ist die Welt einfach in Ordnung. 🙂

(An der Stelle sehe ich übrigens eine (Erfolgs-)Parallele zu Glaser Sterz: Bei Schwierigkeiten im Job gibt es massive Unterstützung vom Arbeitgeber!)

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Auswahlgespräche gibt es nicht

Keine Bewerbungsmappe. Okay. Aber wie geht’s denn dann? Nach dem Anruf kommt es zu einem persönlichen Kennenlernen mit den Leitungskräften, bei dem die klassischen Unterlagen durchgeguckt werden. Fragen an den Bewerber gibt es natürlich auch. Ich gebe zu, dass bei mir die Bewerbungsprozess-Alarmglocke an der Stelle zumindest schon mal gezuckt hat. Henric Peeters konnte mich aber beruhigen: „Ein Auswahlgespräch findet nicht statt!“ Es wird also nicht gesiebt und auch niemandem gesagt, dass er nicht genommen wird.

Die Interessenten werden gefragt, ob sie sich vorstellen können, mit alten Menschen umzugehen oder nicht. Einige der Berufseinsteiger hatten schon Erfahrungen und konnten zum Beispiel von ihren pflegebedürftigen Großeltern berichten. Es gab aber auch Kandidaten, die noch keine Berührungspunkte mit der Pflege hatten und die wissen wollten: „Kann ich das bei Euch denn mal ausprobieren, bevor ich unterschreibe?“ Mit der Frage rannten sie offene Türen ein. Ausprobieren? Ja selbstverständlich! „Genau so soll es sein“, betont Henric Peeters. Wer nach dem Ausprobieren (oder auch gleich sofort beim ersten Gespräch) sagt, dass er die Ausbildung anfangen möchte, der ist an Bord. Und das haben viele gemacht.

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Zu wenig Schulplätze

53 neue Azubis starteten in die Ausbildung zum Altenpfleger. Zum Vergleich: Der Caritasverband Düsseldorf hat 1.500 Mitarbeiter. Davon 14 Azubis die gerade im letzten Jahr ihrer Ausbildung sind und 20 Lehrlinge im zweiten Lehrjahr. „Wir hätten sogar noch mehr einstellen können, aber es gab nur begrenzt Schulplätze“, bedauert Henric Peeters. Das führte dazu, dass einige in Sachen Ausbildungsstart leider vertröstet werden mussten. Der Caritasverband bot in diesen Fällen ein Praktikum, die Vermittlung in ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), den Bundesfreiwilligendienst (BFD) oder einen Job als Pflegehelfer für die Dauer der Wartezeit an. Zum nächsten Ausbildungsstart möchte der Caritasverband Düsseldorf deutlich mehr Schulplätze akquirieren, um die Zahl der Einstellungen noch steigern zu können. Deswegen sollen sich Jobsucher laut dem Vorstandsvorsitzenden ruhig weiterhin melden: „Wir haben für alle immer noch irgendeine Lösung gefunden.“

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Die Altenpflege wird schlecht geredet

Durch die Aktion werden plötzlich Menschen auf den Beruf des Altenpflegers aufmerksam, die den vorher nicht auf dem Schirm hatten. Man mag es kaum glauben … Ich hätte andere Gründe dafür vermutet, warum immer weniger Jobsucher in die Pflege gehen wollen. „Die Altenpflege wird von allen schlecht geredet. Sogar von denen, die sie ausüben“, bedauert Henric Peeters. Als Erstes kommt er dabei auf die Arbeitszeiten zu sprechen. Früh-, Spät- und Nachtschicht und das auch noch am Wochenende, das gibt es laut dem Vorstandvorsitzenden in anderen Berufen auch: „Bei Polizei, Feuerwehr und an der Kasse im Einzelhandel ist das nicht das Thema. In der Altenpflege scheint es dagegen ein großes Thema zu sein.“ Punkt zwei ist das Geld. Peeters findet: „Ja, es gibt schlechte Bezahlung in der Altenpflege. Aber bei etablierten, guten Trägern, wozu ich die Caritas jetzt mal zählen würde, ist die Bezahlung absolut in Ordnung.“ Konkret in Zahlen ausgedrückt heißt das: Azubis im 1. Lehrjahr verdienen über 1.000,- Euro brutto. Fertig ausgelernte Altenpfleger in einer vollen Stelle bekommen mit Zulagen und Weihnachtsgeld über 3.000,- Euro brutto im Monat.

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Mal was riskieren

Ob das viel oder wenig Geld ist, ob die Arbeitszeiten ein K.O.-Kriterium sind oder nicht oder was einen sonst so stören oder gefallen mag, ist ja immer auch individuelles Empfinden. Von daher finde ich es gut, beim Caritasverband Düsseldorf einen leichten Zugang zum selbst Ausprobieren zu haben. Wenn sich daraus kurze Episoden im Lebenslauf ergeben sollten, kann es natürlich – auf dem klassischen Bewerbungsweg – schwierig werden, woanders unterzukommen. Es sind schließlich nicht alle so offen für’s Ausprobieren und dann eben auch mal Scheitern, was für meinen Geschmack zu einem guten Karriereverlauf dazugehört … Ich finde: Man muss auch mal was riskieren. Auch wenn es schief gehen sollte, ist das immer noch besser, als sich mit einem blöden Job zu arrangieren und über Jahrzehnte unzufrieden darin fest zu hängen. Davon haben weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber was. Und wieder rein kommst Du – auch mit einer kurzen Episode – ja auf jeden Fall im verdeckten Arbeitsmarkt. 😉

Die Kollegen finden’s gut

Gespannt war ich auf die Reaktion der vorhandenen Mitarbeiter. Ich dachte, dass die es vielleicht wie die Mitbewerber des Caritasverbandes Düsseldorf sehen und sagen: „Ich habe mühevoll meine Qualifikationen erworben und jetzt nimmt mein Arbeitgeber jeden! Was wird aus meinem Beruf? Wo kommen wir denn da hin?!“ Dem war aber nicht so. Wider Erwarten war die Belegschaft auf Seiten den Hurra-Rufer! 🙂 Das Personal freut sich über frischen Wind, Hilfe bei der Arbeit, neue Fragen und Ideen. Vorher herrschte ein solcher Mangel an Azubis, dass einige Mitarbeiter trotz langer Betriebszugehörigkeit zum ersten Mal einen Lehrling an ihrer Seite hatten.

Ich würde an der Frage aber gerne dran bleiben. Deswegen frage ich Dich: Wie würdest Du reagieren, wenn Dein Arbeitgeber so Deine neuen Kollegen einstellen würde? Schreib mir dazu doch einen Kommentar oder eine Mail. Und natürlich nehme ich auch sehr gerne Kommentare zu den Arbeitsbedingungen in der Altenpflege. Danke! 🙂

Inhaltsübersicht Podcast mit Henric Peeters

  • Kaltstart:
    Henric Peeters stellt sich und den Caritasverband vor.
  • Was tun, wenn die Bewerbungen ausbleiben?
    So entstand „Bei Anruf Ausbildung“.
  • Brauchen wir nicht:
    Englisch, Mathe, …
  • Brauchen wir:
    Spaß beim Arbeiten mit Senioren.
  • Drei Kriterien:
    Die Du trotzdem erfüllen musst.
  • Kein Schulabschluss?
    Der Caritasverband Düsseldorf findet eine Lösung.
  • Gesetzliche Auflage:
    50 Prozent der Mitarbeiter müssen ein Examen haben.
  • Nach dem Anruf:
    Unterlagen checken, Fragen stellen, aber nicht auswählen!
  • Erstmal schnuppern?
    Komm rein!
  • Liegt’s am Ende an den „Öffnungszeiten“?
    Jobsucher meldeten sich auch noch um 23:30 Uhr!
  • Neue Erkenntnis für Jobsucher:
    Es gibt einen Ausbildungsberuf zum Altenpfleger.
  • Schimpfende – und neidische – Mitbewerber:
    Die Caritas nimmt jetzt jeden!
  • Überraschten mit positiver Resonanz:
    Die zukünftigen Kollegen der Azubis.
  • Ausbildung kann ein Kraftakt sein:
    Medizinisches und psychologisches Verständnis wird herausgefordert.
  • Voller Erfolg:
    Neueinstellungen fast verdreifacht.
  • Von wegen nur hoffnungslose Fälle:
    Neue Azubis kommen aus allen Qualifikationsschichten.
  • Wieso will keiner in die Altenpflege?
    Die Meinung des Vorstandsvorsitzenden zu Arbeitszeit und Geld.
  • Henric Peeters empfiehlt:
    Geh einfach mal hin und mach Dich über Berufe schlau.
  • Für den menschlichen Austausch:
    Die Einstiegsvoraussetzungen ein bisschen gelockert.
  • Sei nicht einer von 100:
    Beim Caritasverband kommst Du zum Zuge!
  • Das Manko der tollen Aktion:
    Zu wenige Schulplätze!
  • Was denkt der Kunde?
    Anforderungen an Kandidaten in den Pflege vs. andere Branchen.
  • (Erfolgs-)Parallele zu Glaser Sterz:
    Bei Schwierigkeiten gibt’s massive Unterstützung vom Arbeitgeber.
  • Keine Chance im freien Markt:
    Selber ausbilden, um dem Loch in der Personaldecke vorzubeugen.
  • Sind nicht alleine Unterwegs:
    Azubis kommen zusätzlich zur vorhandenen Pflegekraft.
  • Die Erkenntnis kommt im Job:
    Einfach mal ausprobieren, ob Pflege was für mich ist.
  • Kandidaten Ü40:
    Von Langzeitarbeitslosen und Quereinsteigern.
  • Mit 50+ noch mal in der Berufsschule:
    Warum es auch für Berufserfahrene eine Ausbildung sein soll.
  • Drei Tipps für Jobsucher:
    Verstell Dich nicht!

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