Jörg Brökel

Jörg Brökel – Freier Journalist und ehemaliger Chefredakteur von Radio Herford.

Die Frage nach den Schwächen, scheint unter Radio-Leuten im Vorstellungsgespräch sehr beliebt zu sein (siehe auch mein Interview mit Uwe Wollgramm). Genau wie die bevorzugte Antwort darauf: „Ich bin ungeduldig.“ Als mir der ehemalige Chefredakteur von Radio Herford, Jörg Brökel, von seinen Erfahrungen mit dieser Frage und ihren Auswirkungen berichtete, haben wir beide Tränen gelacht. Denn einerseits hat Jörg ungeduldige Bewerber gerne eingestellt. Andererseits wünschte er sich manchmal buddhistische Gelassenheit in der Redaktion. So läuft es eben, im deutschen Bewerbungsprozess. Und was willst Du dagegen machen?! Ungeduld ist wahrscheinlich genau wie Neugier eine der großen journalistischen Tugenden. Da muss der Personalentscheider persönliche Vorlieben schon mal hinten an stellen. 😉 Mit dieser Erkenntnis kam das Highlight punktgenau am Schluss dieser Jobsucher-Podcast-Episode. Doch fangen wir Vorne an.

Vom Chefredakteur zum Freien Mitarbeiter

Von 1993 bis 1995 war Jörg der stellvertretende Chefredakteur von Radio Bielefeld. Chefredakteur bei Radio Herford wurde er im Jahr 2010 und blieb es für drei Jahre. Heute arbeitet der 55-jährige wieder als freier Journalist. Da konnte ich mir die Frage, wie man vom schönen Chefredakteursposten zum Job als freier Mitarbeiter kommt, natürlich nicht verkneifen. Und er parierte gekonnt mit der Gegenfrage: „Ist ein Chefredakteursposten denn schön?“ Die Antwort ist: „Ja, in diesem Fall war er es.“ Aber irgendwie kam dann doch die Sehnsucht nach den positiven Aspekten auf, die ein Leben als „Freier“ so mit sich bringt. Ich bin ja selbst auch einer von der Sorte und fand es richtig klasse, das zu hören.

iTunes Logo

Auswahl mit journalistischer Neugier

Das jemand für einen Job als Freier Mitarbeiter auch eine Bewerbung schicken soll, habe ich allerdings noch nie gehört, geschweige denn selbst erlebt. Als Freiberufler empfinde ich es auch als Normalfall, dass ich keine Bewerbungsmappe schicke. Ich will ja Aufträge und keinen Arbeitsvertrag. Beim Chefredakteur Jörg Brökel lief es anders. Ich wollte unbedingt wissen, warum. Im Wesentlichen geht es nach meinem Verständnis um Arbeitsproben, die man heute ja auf unterschiedlichste Art und Weise abliefern kann. Da gehört für mich nicht zwingend ein Lebenslauf dazu. Der durfte bei Jörg übrigens völlig aus der Art geschlagen sein: „Wenn sich ein Industriekaufmann als Quereinsteiger bei mir beworben hätte, dann hätte das meine journalistische Neugier geweckt.“ Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch wäre die Folge gewesen. Da ist sie auf jeden Fall für was gut, diese oberste journalistische Tugend! 😉

Wen kann ich riechen?

Als ich Jörg Brökel auf Stellenanzeigen angesprochen habe, hat er erstmal gestutzt. Die gibt es auf Radioszene.de, wo Radiosender vom Chefredakteur bis zum Freien Mitarbeiter in ganz Deutschland alles suchen. Da werden dann aber auch in den Anzeigen die typischen Anforderungen gestellt, wo Du denkst: „Ach Du lieber Himmel. Da brauchst Du gar nicht anrufen oder Dich melden.“ Bei Radio Herford lief das Meiste über Initiativbewerbungen. So fünf bis zehn hatte der Chefredakteur davon im Schnitt pro Monat auf dem Tisch. Jörg hat sich für eine Bewerbung bis zu einer halben Stunde Zeit genommen! Und die Eingänge dann auch noch mit erfahrenen Kollegen besprochen: „Die wussten genau, welche Anforderungen wir haben.“ Damit ist er der absolute Spitzenreiter unter allen, mit denen ich bisher gesprochen habe. Übrigens: Komma- oder Rechtschreibfehler haben Dich als angehenden Radiojournalisten nicht zwingend aus dem Bewerbungsprozess geworfen. „Ich bin Hörfunk- und Fernsehjournalist geworden, damit man meine Texte nicht lesen muss“, berichtet Jörg mit einem Augenzwinkern. Am Ende hat er dann bei seiner Entscheidung oft den richtigen Riecher gehabt. Das wichtigste Instrument im Bewerbungsprozess, wie ich finde! Denn in Wirklichkeit geht es ja darum, wen ich riechen kann und wen nicht. 😉

Die Szene ist klein und gut vernetzt

Spielen denn persönliche Kontakte und Netzwerke bei jemandem wie Jörg, der sich sogar von Freien eine Bewerbung anguckt, auch eine Rolle? „Ja klar! Die Szene ist klein und gut vernetzt“, antwortet Jörg Brökel. Die kleinen Lokalradios schieben untereinander Leute hin und her. Wenn einer zum Beispiel in der einen Redaktion Probleme mit dem Chefredakteur hat, aber grundsätzlich ein guter Mitarbeiter ist, dann kann es beim nächsten Chef ganz anders laufen. Und wenn jemand von der Zeitung zum Radio möchte, geht er mit einem Vorsprung ins Rennen. Nicht nur, weil die Journalisten-Szene klein ist, sondern auch, weil er schon mal weiß, wie der Hase im Journalismus läuft.

TuneIn

Was wissen Sie über meinen Betrieb?

Die klassischen Fragen im Vorstellungsgespräch kennt Jörg Brökel aus … einem Bewerbungsratgeber. Den er selbst gelesen hat! 😉 „Wo möchten Sie in fünf Jahren sein“, findet er etwas abgedroschen. Bei nochmaligem darüber nachdenken, dann aber doch ganz hilfreich. „Was wissen sie über meinen Betrieb?“, gehört da schon eher zu seinen Favoriten. Und ich kann Dir sagen: Das, was er darauf hören möchte, hätte ich bei einer normalen Bewerbung nie im Leben auf die Kette gekriegt. Wenn Du wissen willst, wie Du an gute Antworten kommst und mit Insider-Wissen punkten kannst, dann hör Dir (noch mal) diese Jobsucher-Podcast Episode an: Das Life/Work Planning Einstellungsgespräch Da gibt es reichlich Tipps von mir, wie Du Überraschungen vermeiden und bestimmt auch bei Jörg bestehen kannst. 😉

Ihre Schwächen?! 🙂

Super passend fand ich, dass Jörg Brökel seinerzeit bei Uwe Wollgramm im Vorstellungsgespräch gesessen hat. Das führte uns ganz wunderbar zu der Frage nach den Schwächen, auf die mich der Geschäftsführer von „ams – audio media service“ in Bielefeld seinerzeit gebracht hat. Und damit wären wir dann auch schon wieder am Anfang Ende der Geschichte.

Jetzt wünsche ich Dir viel Spaß beim hören und: Die iTunes-Bewertung bitte nicht vergessen! Herzlichen Dank.

Inhaltsübersicht:

  • 55 und immer noch ungeduldig:
    Jörg Brökel stellt sich vor.
  • Außendienst ist besser als Chef:
    Ein „Rückschritt“ als Fortschritt.
  • Was soll das?!
    Bewerbung als Freier.
  • Gerne genommen:
    Die Arbeitsprobe.
  • Geht nicht auf Papier:
    Die Stimme als Ausschlusskriterium.
  • Quereinsteiger:
    Das musst Du beim Radio mitbringen.
  • Stellenanzeige:
    *äh* … meistens lief’s initiativ.
  • Ein gutes Zeichen:
    Du kommst von der Zeitung.
  • Zeit ohne Ende:
    15 – 30 Minuten pro Bewerbung + Teambesprechung.
  • Lieber nicht:
    Die knallharte Wahrheit in der Absage.
  • Herzblut hilft weiter:
    Weiterführende Tipps trotz grottiger Bewerbung.
  • KEIN K.O.-Kriterium:
    Komma- und Rechtschreibfehler beim Radiojournalisten.
  • Ein ordentlicher Lebenslauf:
    Alles drin. Lücken erklärt.
  • Mitarbeitersuche über Netzwerke:
    Die Szene ist klein und gut vernetzt.
  • Ätzender Chef:
    Einfach mal die Redaktion tauschen.
  • Persönlichkeit schlägt Fachwissen:
    Reibungsverluste im Team kosten zu viel Arbeitskraft.
  • Klassische Fragen im Vorstellungsgespräch?
    Bitte nicht die! 😉
  • Zu klein für Ressorts:
    In der Lokalradio-Redaktion brauchst Du Interesse für „vieles“.
  • Experten sind glücklich:
    Special Interest Magazine für den, der jede Schraube beim Namen kennt.
  • Journalismus:
    Leidenschaft statt Geld.
  • Bekommen KEINE (GEZ-) Gebühren:
    Die Lokalradios.
  • Wunsch fürs Alter:
    Buddhistische Gelassenheit.

Stitcherpodcast.delogo-300x135

_________________________________________________

Wenn Du Fragen an mich oder meine Interviewpartner hast, dann hinterlasse einen Kommentar. Auch Themenvorschläge sind jederzeit willkommen.