Tugba Misir

Tugba Misir – Personalreferentin bei Kühne + Nagel in Bielefeld

„Sprich doch mal mit Tugba Misir von Kühne + Nagel„, hat jemand aus meinem Netzwerk zu mir gesagt. „Ich habe sie bei einem Vortrag zur Generation Y gesehen. Der war richtig klasse! Tugba Misir wäre ganz bestimmt eine tolle Interviewpartnerin für deinen Podcast“, wurde mir noch mit auf den Weg gegeben. Ich habe nicht lange gefackelt und direkt mal in der Bielefelder Niederlassung des internationalen Speditions- und Logistikunternehmens, das schlanke 70.000 Mitarbeiter hat, angerufen. Die Zusage meiner 28-jährigen Interviewpartnerin kam so spontan, wie mein Anruf. Nach dem Auflegen dachte ich, dass ich jetzt einen Jobsucher-Podcast vorbereite, in dem wir im Wesentlichen über junge Mitarbeiter sprechen. Ein Blick auf die Karriereseite von Kühne + Nagel (K+N) und die dort veröffentlichten Stellenausschreibungen (nicht nur für Bielefeld) führte jedoch dazu, dass ich meinen Plan änderte. Beim Surfen erblickte ich ein (wie ich finde) klassisch / konservatives Design, gepaart mit dem deutlichen Hinweis sich online zu bewerben. Dazu Bewerbungstipps mit FAQs und allem Pipapo. Die Bewerbungsprozesse wurden mir fast schon aufgedrängt. Da musste ich einfach mal nachhaken. 😉

Die Life/Work Planning Herausforderung in Bielefeld

Eins mal vorweg: Der Kühne + Nagel Standort in Bielefeld wäre ein wahres Fest für alle, die an meiner Art der Jobsuche mit dem Life/Work Planning Verfahren (L/WP) zweifeln. Da kommst Du nicht mal bis zum Empfang, weil sich drumherum ein hoher Zaun mit Videoüberwachung, Tür und Klingel befindet. Also eine echte Herausforderung. 😉 Wenn die „Zugbrücke“ erstmal heruntergelassen ist, dann trifft man drinnen auf viele nette Menschen. Laut Tugba Misir sollt man mit denen durchaus auch mal reden, wenn man auf Jobsuche ist. Die Personalreferentin stellt Auszubildende ein und findet, dass die Unternehmenswebseite die allgemeine Beschreibung der Ausbildungsberufe Speditionskaufmann / -frau und Kaufmann / -frau für Speditions- und Logistikdienstleistung liefert: „Wenn ich jemanden kenne, der bei Kühne + Nagel die Ausbildung gemacht hat, dann bekomme ich aus erster Hand noch Informationen darüber, was auf mich zukommt.“

Aufgepasst am Messestand

Ein möglicher Kontaktpunkt sind Messen, wo K+N immer Azubis mit am Stand hat, die für Fragen bereit stehen. Ich finde auch, dass Messen gut für erste Gespräche geeignet sind, wobei man immer gucken muss, wer da am Messestand steht. Wenn ich in der Buchhaltung arbeiten will, rede ich im Idealfall mit jemandem aus der Buchhaltung. Die Chancen einen Buchhalter am Messestand zu treffen sind vermutlich verschwindend gering. Immerhin kann ich einen „persönlichen Fuß“ in die Tür bekommen und mich durchfragen. So gesehen machen Azubis vor Ort definitiv Sinn. Wobei man fairerweise dazu sagen muss, dass es sich im konkreten Fall um Azubis aus einer Projektgruppe handelt, die darauf spezialisiert sind, das Bielefelder Unternehmen aktiv nach Außen zu präsentieren.

iTunes Logo

Eine gute Ergänzung zum Messestand ist immer der eigene Bekanntenkreis. Gerade bei einem Unternehmen mit so vielen Mitarbeitern ist es relativ wahrscheinlich, dass man in Sachen Ansprechpartner schnell fündig wird. Auch in der Personalabteilung sieht man die Vorteile dieser Vorgehensweise: „Wir können unseren Mitarbeiter einfach mal fragen, wer der Kandidat ist, was der zur Zeit so macht und wie er so ist.“ Und die Praxis zeigt, dass das kein Schleichweg, sondern eine gut ausgebaute Autobahn ist. Denn der Großteil der Azubi-Bewerber kommt laut Tugba Misir über Mundpropaganda und Empfehlungen von Bekannten ins Unternehmen. Über Berufserfahrene haben wir nicht gesprochen. Da es ein „Mitarbeiter empfehlen Mitarbeiter Programm“ gibt, vermute ich, dass es da ähnlich läuft.

Keine Massenabfertigung

Personal findet das Logistikunternehmen über eine Vielzahl von Kanälen. Die klassische Anzeige ist natürlich mit dabei. Social Media spielt bei der Personalgewinnung keine große Rolle. Mit Ausnahme von Xing, das von einem Active Sourcing Team in Hamburg dazu genutzt wird, interessante Kandidaten zu finden und persönlich anzusprechen. Den wahren Klassiker 😉 löst das aber nicht ab: „Persönliche Netzwerke sind immer besser, weil man Face-to-Face miteinander spricht. Das ist nicht mehr anonym und auch keine Massenabfertigung, sondern eine individuelle Betreuung, die man betreibt.“ Herrlich: Nicht anonym und keine Massenabfertigung, genau das ist doch mein Herzensanliegen. 🙂

Spotify

Abgebrochenes Studium = Pluspunkt!

Wirklich erstaunt hat mich, dass sich die 28-jährige Personalreferentin 15 bis 20 Minuten Zeit nimmt, um eine der 140 Azubi-Bewerbungen die pro Jahr rein kommen, durchzugucken. Drei bis vier Bewerbungen bearbeitet sie so am Tag, in denen sie nicht nur nichts überliest, sondern sogar zwischen den Zeilen liest. Die nächste Überraschung für mich war, dass ein abgebrochenes Studium (oder auch mehrere) bei der Bewerbung ein Pluspunkt ist! Ich dachte, ich höre nicht richtig. „Beim zweiten Versuch sind die Leute ehrgeiziger, weil sie nicht noch mal dasselbe erleben und nicht noch mal scheitern wollen“, erklärt mir Misir. Das kann ich mir gut vorstellen. Auch im Coaching mache ich regelmäßig die Erfahrung, dass der Leidensdruck leider erst eine doch recht hohe Schwelle überschreiten muss, bevor Menschen in Bewegung kommen. Andererseits setzt sich jemand, der auf keinen Fall noch mal scheitern will, natürlich auch selbst unter Druck. Wenn ich Klienten kurz vorm oder mit Burnout habe, dann merke ich, dass man den nicht zu hoch dosieren sollte. Provokatives Coaching hilft meiner Erfahrung nach sehr gut, um selbst zu erkennen, wieviel „Bar“ zu viel der leider oft hausgemachte Druck gerade hat. Und ja klar: Das kenne ich auch von mir selbst.

Wirklich klasse fand ich, dass man in der Personalabteilung bei Kühne + Nagel sogar für ganz bunte Lebensläufe mit viel Kreuz und Quer offen zu sein scheint. Da hätte ja vielleicht sogar ich eine Chance! 😉 *lacht* Was ich auch mitnehme, ist, über den ersten Eindruck auch mal hinauszugehen. In der Personalabteilung. Logo. Aber auch als Jobsucher. Mit dem (sicherlich aus guten Gründen installierten) hohen Zaun ums Firmengebäude und dem klassischen Webdesign erwarte ich im ersten Moment nicht so viel Offenheit, wie ich drinnen dann vorfinde.

Genug der Vorrede. Jetzt heißt es für Dich: Podcast anhören, iTunes-Bewertung schreiben und dann wie immer heiter weiter! 🙂

Und natürlich Danke an die Tippgeberin aus meinem Netzwerk!

TuneIn

Inhaltsübersicht:

  • 70.000 Mitarbeiter
    Tugba Misir stellt sich und Kühne + Nagel vor.
  • Alles berücksichtigen, nichts überlesen:
    15 – 20 Minuten für den Unterlagen-Check.
  • So lange dauert Personalauswahl:
    1,5 Stunden vom Eingang bis zur Unterschrift.
  • Informier Dich!
    Am besten bei Bekannten und Freunden.
  • Die wichtigsten Einstellungskriterien?
    Eher so Softskills!
  • Die, die zwischen den Zeilen liest:
    Fehlzeiten und Hobbys im Lebenslauf.
  • Schule war’s eher nicht?
    Versuch schriftlich zu erklären, dass Du jetzt Gas gibst.
  • Glücksgriff oder gutes Timing:
    Das brauchst Du, damit der Job passt.
  • Eingestellt, obwohl die Unterlagen eine Absage sind?
    Kommt regelmäßig vor!
  • Lebenslauf ist wie ein Produktdatenblatt:
    Was da nicht drin steht, das kann er auch nicht.
  • Was ist hier möglich?
    Das Vorstellungsgespräch als Ideenbörse.
  • Fehltritte im Leben:
    Da muss sich der Personaler an die eigene Nase fassen.
  • Das ist nichts persönliches:
    Von unerfüllten Erwartungen beim Personaler.
  • Wir fragen nicht nach Schwächen:
    Wichtig ist, was für ein Typ da sitzt.
  • Viele Rekrutierungskanäle:
    Die meisten kommen über Empfehlung von Bekannten.
  • Social Media?
    Eher weniger.
  • Persönliche Netzwerke sind immer besser:
    Face2Face vs. anonym.
  • Wer ist am Messestand?
    Die auf externe Kontakte spezialisierte Azubi-Projektgruppe.
  • Die Baustelle in der Personalgewinnung?
    Geeignete Kandidaten für gewerblich-technische Berufe finden.
  • Ernsthaft interessiert?
    Von Jobsuchern, die sich auf alle Positionen bewerben.
  • „Falsche“ Fähigkeiten:
    Berufskraftfahrer bei der Bewerbung.
  • Abgebrochenes Studium als Pluspunkt:
    Die Vorteile des Scheiterns.
  • Gut für uns:
    Ab dem zweiten Versuch ist man engagierter.
  • Lebenslauf kreuz und quer?
    Gucken wir uns an und wagen auch schon mal ein Abenteuer.
  • Job-Entscheidung per Bewerbung abwälzen?
    Teilweise schon …

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