Von klein auf werden wir darauf gedrillt, dass gute Zeugnisnoten richtig wichtig sind. Und dann passiert das: Ich sitze mit Oliver Abt von der Sport Reha Herford zusammen, wir reden über das Thema Bewerbung und Vorstellungsgespräche und darüber, wie Personalentscheidungen getroffen werden. Oliver möchte mir die Abschlussnoten eines exzellenten Mitarbeiters – wie er betont! – zeigen und die sind nicht aufzutreiben. Schlimm? Nö! Die kann der Physiotherapeut auch nachliefern. Es ging ohnehin darum, zu zeigen, dass die Noten gar nicht wichtig sind.
„Mich interessiert weniger, was du schon alles Tolles gemacht hast“, sagt der 39-jährige Gesellschafter und Geschäftsführer des Gesundheitszentrums für physiotherapeutische Rehabilitation und Prävention. „Ich will wissen, warum du was mit mir machen willst“, ergänzt er im eindringlichen Tonfall. Sein Motto: Hire for attitude – train for skills. Auf Deutsch übersetzt: Stelle jemanden wegen seiner inneren Einstellung ein und bringe ihm dann das Nötige bei. „Du kannst als Berufsanfänger die gleiche Leistung auf die Straße bringen, wie ein alter Hase“, findet Abt. (Die Art, wie das Gespräch an dieser Stelle lief, erinnerte mich ein bisschen an das Interview mit Flugzeugwerft-Inhaber Laurent Gauthier. Und siehe da: Meine Recherche ergab, dass diese Maxime von Southwest Airlines stammt. Dazu habe ich einen interessanten Artikel bei Heise gefunden.)
Als Berufsanfänger die gleiche Leistung wie ein alter Hase
Ungefähr zwei bis acht Bewerbungsmappen landen pro Monat auf dem Tisch des Geschäftsführers, der in seinem Berufsleben circa 15 Bewerbungen in eigener Sache geschrieben hat. Die Reihenfolge nach dem in die Hand nehmen ist immer gleich:
- Deckblatt angucken: Name des Jobsuchers und „Ich bewerbe mich als ….“ lesen.
- Foto angucken
- Lebenslauf
„Der Werdegang interessiert mich mehr, als die Qualifikationen“, berichtet der 39-jährige. Die Entscheidung, ob er eine Mappe wieder aus der Hand legt oder weiterblättert, fällt in ungefähr einer Minute. Bleibt er dabei, dann liest er lange und intensiv. Schnelles Überfliegen und dann wieder weg damit, das kann er sich in Zeiten des Fachkräftemangels nicht leisten. Oliver Abt checkt die tabellarische Vita auf Schlüssigkeit. Er schaut, ob die Chronologie passt und ob er Lücken findet: „Am liebsten lese ich die letzte Tätigkeit zuerst. Schule interessiert mich nicht.“ Bewerbungen auf einen Ausbildungsplatz mal ausgenommen. Bei Facebook, studiVZ & Co. geht die Recherche weiter. Abt guckt wer welche Freunde hat und was gepostet wurde. Findet er dabei zum Beispiel ausländerfeindliche Bemerkungen zur aktuellen Flüchtlingslage, dann bedeutet das das Aus für den Kandidaten.
Oliver Abt mag es, wenn Leute vor der Tür stehen.
Auf Initiativbewerbungen erfolgt – wenn gerade kein Personalbedarf besteht – eine Absage. Für einen eventuell später aufkommenden Bedarf werden die Unterlagen allerdings kopiert und abgelegt. An dieser Stelle des Gesprächs hat Oliver noch eine Überraschung für mich parat: „Ich mag es, wenn Leute mit einer Bewerbung vor der Tür stehen und sagen: Hallo da bin ich!“ Das zeigt dem Geschäftsführer, dass sie es versuchen: „Ich muss den Willen spüren.“ Auch wenn ich Oliver nicht danach gefragt habe, bin ich mir sehr sicher, dass das auch gut ankommt, wenn der Jobsucher seine Abschlussnoten gerade ganz zufällig nicht dabei hat. 😉
Oliver Abt stellt für die Sport Reha Herford für folgende Berufe ein:
- Physiotherapeuten
- Diplom Sportwissenschaftler
- Verwaltungskräfte
- Dienstleistungskräfte (Reinigung, Hausmeister, …)
- Auszubildende
Falls Sie auf der Suche nach einem neuen Job sind (oder mal waren) und Fragen haben, die Sie gerne einem Personalchef oder Geschäftsführer stellen möchten, dann schreiben Sie sie einfach in das Kommentarfeld unter diesem Artikel. Ich nehme die Frage/n dann zum nächsten Interviewpartner mit.
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